Die lebensverändernde Diagnose und der Umgang mit ihr
Laut Statistik Austria haben bei einer Gesundheitsbefragung 2019 2,8 Mio. ÖsterreicherInnen im Alter ab 15 Jahren angegeben, unter einer dauerhaften Krankheit oder einem chronischen Gesundheitsproblem zu leiden. Bei den angeführten Erkrankungen handelt es sich um chronische Nacken- oder Rückenleiden, Diabetes, Allergien, Bluthochdruck, Arthrose oder Depressionen. Auf den ersten Blick keine bedrohlichen Krankheitsbilder, aber sie bringen eine Lebensveränderung mit sich und sind nicht heilbar. Chronische Erkrankungen werden daher auch in Form einer schweren Krise durchlebt, die mit der Diagnosestellung beginnt.
Krankheit trifft einen meist völlig unvorbereitet, geht mit vielen persönlichen Belastungen einher und erfordert unmittelbar eine Vielfalt an Bewältigungsmöglichkeiten, über welche jedoch die wenigsten verfügen. Der Grund liegt darin, dass der Krankheit keine Phase voraus geht, in der erforderliche Bewältigungsstrategien entwickelt werden können. Deshalb fehlen den Betroffenen oft wichtige psychische Fertigkeiten bei der Krankheitsbewältigung.
Gerade zu Krankheitsbeginn zeigen die Verarbeitungsmuster der Erkrankten, wie schwer sie mit der neuen Lebenssituation zurechtkommen und wie sehr sie am bisherigen Lebensstil festhalten, obwohl dieser aktuell nicht gelebt werden kann. Die Betroffenen sind der Meinung, dass nur die vergangene Lebensweise, dass Leben sinnvoll und lebenswert macht und definieren sich deshalb über alles, was vor der Erkrankung war.
Krankheitsverarbeitung
Krankheit hat massive Auswirkungen auf das körperliche, psychische bzw. soziale Leben der Betroffenen und reißt sie aus ihrer Normalität und Ordnung heraus. Um mit der aktuellen Situation umgehen zu können und offen für neue Lebenswege zu sein, bedarf es einer persönlichen Neuorientierung bzw. Neuausrichtung. Und die erfordert Geduld! Denn Krankheitsbewältigung findet in einem Prozess statt, der in verschiedene Phasen unterteilt ist. Hier ein Einblick in die Phasen der Krankheitsbewältigung, angelehnt am Beispiel der Trauerkrise von Verena Kast:
- Phase: Nicht wahrhaben wollen – Abwehrmechanismen wie Verdrängen, Bagatellisieren und Leugnen der Diagnose als Selbstschutz folgen. Evtl. Schockreaktion, Isolation.
- Phase: Aufbrechende Emotionen: Emotionschaos – Wut, Zorn, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ruhelosigkeit brechen über einen ein. Selbstverständliches wird in Frage gestellt und geht oft mit der Suche nach einem Schuldigen einher. Loslassen bisheriger Vorstellungen, Erwartungen und Zukunftspläne.
- Phase des Suchens, Findens und sich Trennens: Einsichtsphase – Verständnis für den Sinn des Verlustes oder der Krankheit. Akzeptanz von Geschehenem. Eigenverantwortung für das Leben übernehmen. Empfindungen wie Freude und Erleichterung setzen ein.
- Phase: Neuer Selbst- und Weltbezug – Loslassen des Schmerzes, Neuorientierung (Werte, eigene Einstellung usw.), Neue Verhaltens- und Erlebensweisen werden ausprobiert.
Es handelt sich hierbei um eine vereinfachte Darstellung komplexer Abläufe, die unbewusste Strategien zur Bewältigung schwieriger Situationen beinhalten. Sie gehen keiner bestimmten Reihenfolge nach und sind zeitlich ungebunden. Die Phasen können nebeneinander stattfinden und sich ggf. sogar wiederholen. Auch das Ausbleiben einer Phase ist möglich.
Die Krankheitsverarbeitung ist zudem von weiteren Aspekten abhängig:
- Persönlichkeitsmerkmalen
- körperlichen Erkrankungen
- sozialem Netzwerk
- Selbstwahrnehmung
- bisherigen Krisenerfahrungen
- verfügbaren Bewältigungsstrategien
Meiner Meinung nach ist es wichtig den psychosozialen Anpassungsprozess nicht passiv zu erleiden, sondern diesen aktiv zu gestalten und sich gegebenenfalls gezielte professionelle Hilfe zu suchen, für:
- haltgebende Strukturen
- (Neu-)Orientierung
- Unterstützung im Umgang mit der Krankheit
- Lebensstilmodifikation
- Schwierige Emotionen
Hervorzuheben ist auf jeden Fall, dass eine gute Krankheitsbewältigung sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt und oft mit einer Reduktion der Symptome, hinsichtlich Stärke und Häufigkeit, einhergeht.
Die Basis für ein selbstbestimmtes Leben erfolgt über die Annahme der Krankheit sowie die Bereitschaft mit ihr zu leben. So kann Raum für Lösungen und Wege entstehen, die zu einem neuen und sicheren Platz im Leben führen.
Anregungen im Umgang mit Krankheit
Im Krankheitsfall kann ich nur jedem Betroffenen nahelegen, sein bisheriges Leben zu reflektieren und sich mit bestimmten Fragen auseinanderzusetzen, wie z.B.:
- Welche Veränderungen bringt die Krankheit mit sich?
- Welche Bedeutung gebe ich meiner Krankheit?
- Erlebe ich die Krankheit als lebensbestimmenden Faktor?
- Wie kann ich lernen meine Krankheit und meinen Körper zu akzeptieren?
- Bin ich aktiver Gestalter meines Lebens?
- Lebe ich im Hier und Jetzt?
- Wer oder was raubt mit Energie?
- Was macht mich glücklich und mein neues Leben lebenswerter?
- Was sollte sich ändern?
Das sind keine einfachen Fragen die in einer Minute beantwortet sind. Deren Antworten erfordern Zeit, eine Auseinandersetzung mit sich und dem bisherigen Leben, aber sie bieten die Möglichkeit für ein bewussteres, achtsameres Leben und erweitern die eigene Gesundheitskompetenz. Sie helfen, das Vertrauen ins Leben wieder herzustellen und Frieden mit der Krankheit zu schließen.
Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit – Ludwig Böhme
Häufig wird Gesundheit als selbstverständlich betrachtet und gewinnt erst an Beachtung, wenn Krankheit eingetreten ist. Diese Erfahrung habe ich selbst auch gemacht. Heute hat Gesundheit in meinem Leben einen hohen Stellenwert. Sie ist für mich das höchste Gut auf Erden, was wir haben und nicht käuflich erwerben können. Ich schätze meinen Körper, meine Gesundheit sehr und sehe sie als wertvolle Ressource an, die mir hilft, in Bewegung zu kommen und etwas für mich zu tun.
Auch wenn mein Bandscheibenvorfall plus Operation ein unschönes Erlebnis war und mich noch heute täglich deren Auswirkungen begleiten, so hat das Ganze auch dazu geführt, dass ich mir selbst wieder nähergekommen bin und mit mir in Kontakt stehe. Der Spruch: „In allem Schlechten, steckt also auch immer etwas Gutes“, scheint also zu stimmen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer erkennbar ist. Ich habe auf jeden Fall die Chance für ein bewusstes und achtsameres Leben genutzt. Und wie sieht es bei Ihnen aus?
Zum Angebot: Hilfe im Umgang mit Krankheit