Ernstzunehmende Krankheit oder nur eine Modediagnose?
Burnout, ein Begriff der in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit bekommt und schnell verwendet wird. Alles andere als schnell, gestaltet sich jedoch die Diagnosestellung. Die Symptome sind oft unspezifisch und schwer von anderen psychischen Krankheiten zu unterscheiden. Zumal die Diagnose „Burnout“, als Krankheit im ICD-10 auch gar nicht existiert.
Aber jetzt mal langsam und „Step by Step“ erklärt, was es wissenswertes zum Thema Burnout zu berichten gibt.
Burnout Definition
Eine einheitliche Definition gibt es bis heute nicht. Burnout beschreibt einen Zustand der totalen körperlichen und emotionalen Erschöpfung mit verminderter Leistungsfähigkeit, der durch andauernde Belastung und Überforderung entsteht. Viele sprechen in diesem Zusammenhang vom „ausbrennen“, was zur Folge hat, dass wir aufhören aktiv zu sein. Burnout ist keine Diagnose, sondern eher ein Syndrom.
Geprägt wurde der Begriff „Burnout“ übrigens erstmals im Jahr 1974 vom Psychoanalytiker Herbert Freudenberger. Dieser bezog das Beschwerdebild damals auf Menschen in sozialen Berufen, die sich in der Fürsorge besonders engagierten, ohne dabei auf die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und sich selbst zu achten.
Zahlen, Daten & Fakten
Laut einer Studie der Business-Doctors aus dem Jahr 2008 sind in Österreich ca. 1,5 Mio. Menschen „Burnout“ gefährdet. Besonders hoch ist das Burnout-Risiko bei:
- Alter: 31 – 50jährige, zwischen 30. – 40. Lebensjahr aber am höchsten
- Geschlecht: Frauen (wg. Mehrfachbelastung Beruf, Familie, Haushalt usw.)
- Familienstand: Frauen (verheiratet oder in Lebensgemeinschaft) und Männer (Single)
- Wohnort: Stadtmenschen (ab 50.000 Einwohnern)
- Beschäftigungsdauer: Vollzeitbeschäftigte, die bei einer Firma (1-3 Jahre, 8-11 Jahre, ab 20. Jahr) tätig sind – Angst vor Arbeitsplatzverlust
Burnout Ursachen:
Burnout wurde früher vor allem mit den hohen Anforderungen und der Intensität der Arbeitswelt in Verbindung gebracht, deshalb wurde es lange als „Managerkrankheit“ bezeichnet.
Stress wird häufig als Hauptursache von Burnout gesehen. Vergessen werden dabei jedoch oft die äußeren Faktoren (Umwelt), die ebenso wie die persönlichen Veranlagungen (Perfektionismus oder die Unfähigkeit zur Abgrenzung) eine wesentliche Rolle spielen.
Auslöser sind in den meisten Fällen:
- Hohe Anforderungen, die von außen übernommen werden
- Eine hohe Leistungsbereitschaft sowie hohes Engagement
- Hang zum Perfektionismus
- Fehlende Bewältigungsstrategien bei Überforderung
- Mangelnde Abgrenzung, nicht „Nein“ sagen können
- Diskrepanz zwischen Realität und Ideal
- Vermeintliche Erwartungen des Umfeldes werden übernommen
- Angst vor der Auseinandersetzung mit sich selbst
- Angst vor Arbeitsplatzverlust
- Nacht- und Schichtdienst
- Zeitdruck
- Vielzahl an Kommunikationskanälen
- Mobbing
- Schlechtes Betriebsklima
Burnout Symptome:
In erster Linie typisch ist, dass die Betroffenen sich „ausgebrannt“ fühlen. Selbst durch längere Pausen oder Erholungsphasen schaffen sie es nicht, dieses Gefühl wieder loszuwerden. Das Burnout-Syndrom ist ein komplexes Beschwerdebild mit ca. 130 Anzeichen, die auf eine Burnout-Erkrankung hindeuten können.
Körperlich
Herz-Kreislauf-Beschwerden / Magen-Darm-Störungen / Kopf- und Rückenschmerzen/ Tinnitus
Kognitiv
Konzentrationsstörungen / Nicht abschalten können / Denkblockaden / Entscheidungsunfähigkeit
Emotional
Gereiztheit / Unzufriedenheit / Innere Leere / Abstumpfung / neg. Grundstimmung
Vegetativ
Unruhe / Schwitzen / Antriebslosigkeit / Herzklopfen / Schlafstörungen
Sozial
Allgemeiner Rückzug / Widerstand / Isolierung / Empathieverlust
Weil es lange Zeit dauern kann, bis sich ein Burnout-Syndrom äußert, ist es ratsam auf folgende Warnsignale zu achten und diese ernst nehmen.
- Dauermüdigkeit und Erschöpfung: Burnout-Betroffene sind oft müde, können nur schwer abschalten und leiden meistens unter Ein- oder Durchschlafstörungen. Sie fühlen sich überfordert und haben ein großes Bedürfnis nach Ruhe. Finden aber keine Erholung, in der Regeneration stattfinden kann.
- Leistungsabfall: Fehleranfälligkeit steigt durch Unkonzentriertheit, aufgrund fehlender Erholungsphasen. Die Betroffenen sind nicht mehr so belastbar und es fällt ihnen schwer Entscheidungen zu treffen. Nervosität macht sich bemerkbar.
- Rückzug: Soziale Kontakte werden vernachlässigt, ebenso wie Sport und Hobbys.
- Körperliche Symptome: Vielfältig und variabel (Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden, Nacken- und Rückenbeschwerden…). Verstärktes Schmerzempfinden.
Burnout Stufen
Herbert Freudenberger hat 12 typische Phasen identifiziert, die Betroffene bis zum totalen Burnout durchlaufen.
1. Phase: Der Zwang, sich zu beweisen
Betroffene sind sehr motiviert und erledigen ihre Aufgaben mit hohem Engagement. Sie muten sich zu viel Arbeit zu und vernachlässigen ihre eigenen Bedürfnisse.
2. Phase: Verstärkter Einsatz
Um den eigenen hohen Anforderungen zu genügen, wird der Einsatz im Job gesteigert. Aufgaben zu delegieren, ist den Betroffenen aufgrund ihres erhöhten Pflichtbewusstseins nicht möglich. Sie glauben unentbehrlich zu sein.
3. Phase: Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse
Aufgrund der hohen Einsatzbereitschaft kommen die eigenen Bedürfnisse zu kurz. Erholung und Regeneration werden zweitrangig.
4. Phase: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
Die eigenen Bedürfnisse werden verdräng und körperliche Anzeichen ignoriert, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Die Fehleranfälligkeit nimmt aufgrund von Unkonzentriertheit zu.
5. Phase: Umdeutung von Werten
Nicht berufliches – was früher wichtig war – wie soziale Kontakte, Hobbys, aber auch Werte, verliert an Bedeutung. Betroffene empfinden diese nur noch belastend. Auch Probleme mit dem Partner oder der Partnerin sind keine Seltenheit.
6. Phase: Verleugnung der Probleme
Schwierigkeiten werden von den Betroffenen verleugnet oder bagatellisiert. Ihnen fehlt berufliche Anerkennung und Wertschätzung, deshalb gehen sie ihrer Arbeit nur noch ungern nach. Leistungsabfall und körperliche Beschwerden nehmen zu.
7. Phase: Sozialer und emotionaler Rückzug
Das Umfeld wird als bedrohlich wahrgenommen, weshalb die Betroffenen sich zurückziehen. Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit stellt sich ein.
8. Phase: Deutliche Verhaltensänderung
Verhaltensänderungen werden deutlich. Kennzeichen dafür sind fehlende Flexibilität und eine ausgeprägte Abwehrhaltung gegenüber Kritik.
9. Phase: Depersonalisation
Die Betroffenen stehen neben sich. Sind sich selbst fremd geworden. Frühere Bedürfnisse werden nicht mehr erkannt.
10. Phase: Innere Leere
Nutzlosigkeit breitet sich aus und wird von einer übermäßigen Kraftlosigkeit begleitet.
11. Phase: Depression
Die Motivation ist auf dem Nullpunkt. Verzweiflung macht sich neben Desinteresse und Sinnlosigkeit breit. Depressionen treten verstärkt auf und gehen evtl. mit Selbstmordgedanken einher.
12. Phase: Völlige Erschöpfung
Die totale körperliche, geistige und emotionale Erschöpfung tritt ein. Vermehrte körperliche Symptome resultieren von den Auswirkungen des Stresses auf das Immunsystem. Es besteht ein hohes Suizidrisiko.
Es werden nicht zwangsläufig alle Stufen in der gleichen Abfolge durchlaufen. Manchmal werden auch Stufen übersprungen oder gleichzeitig durchlebt.
Je früher Betroffene erkennen, dass der Stress in ihrem Leben zu viel ist und sich ein Burnout entwickelt, desto höher sind die Chancen, den Zustand des „Ausgebranntseins“ zu verhindern.
Burnout Prävention
Damit es gar nicht erst zu einem Burnout kommt, ist ein achtsamer Umgang mit den eigenen Ressourcen wichtig. Genau wie regelmäßige Pausen, die erforderlich sind, um Abstand zum beruflichen und privaten Stress zu bekommen und Regeneration zu ermöglichen.
Selbsthilfemaßnahmen
- Prioritäten – und Zeitmanagement überprüfen
- Tagesstruktur mit Ruhephasen planen
- Realistische Ziele setzen und sich von unrealistischen Erwartungen verabschieden
- Singletasking statt Multitasking
- Körpersignale ernstnehmen und auf die eigenen Bedürfnisse achten
- Selbstreflexion
- Hinweise aus dem Umfeld ernst nehmen
- Bewegung
- Entspannung
- Achtsamkeit
- Schlafhygiene
- Abgrenzung
Professionelle Hilfe nicht erst bei Burnout-Symptomen
Burnout ist ein schleichender Prozess, deshalb ist es wichtig, im Fall von permanenter Überforderung, Erschöpfung und Niedergeschlagenheit, sich so früh wie möglich Hilfe zu suchen und diese in Anspruch zu nehmen. Spätestens aber dann, wenn keine Bewältigungsstrategien mehr vorliegen oder die gewählten Strategien nicht weiterhelfen. Wenn sozialer Rückzug erfolgt oder alles mit einer gewissen Gleichgültigkeit einhergeht.
Resüme
Ein Burnout kann grundsätzlich jeden treffen. Mensch gehen mit Stress ganz unterschiedlich um. Während die einen viel leisten und dabei auf eine gute Work-Life-Balance achten, gelingt es anderen nicht, rechtzeitig für Erholung und Regeneration zu sorgen. Letztere tun es auch dann nicht, wenn es ihnen von außen nahegelegt wird.
Häufig sind Menschen betroffen, die sehr engagiert sind und einen Hang zum Perfektionismus haben. Die alles auf einmal erledigen wollen, sich gerne von anderen einspannen lassen und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein haben. Ausschlaggebend ist vor allem die Einstellung zur eigenen Leistung, den eigenen hohen Ansprüche zu genügen sowie das Bedürfnis nach Wertschätzung und Anerkennung im Außen.
Aber auch die andauernde Reizüberflutung im beruflichen und privaten Umfeld, ist Burnout förderlich. Neue Medien eröffnen zwar neue Wege, führen aber dazu, dass wir ständig erreichbar sind und meinen entsprechend reagieren zu müssen. Ein wesentlicher Grund, warum wir heute schlechte zur Ruhe kommen.
Auch wenn die Stressfaktoren meistens im außen gesehen werden, so ist immer der individuelle Umgang mit den äußeren Faktoren entscheidend und durch uns beeinflussbar.
Vielen ist nicht bewusst, dass sie in stressigen Situationen mit Bewältigungsstrategien aus der Kindheit reagieren bzw. von ihren inneren Antreibern „sei perfekt“, „sei stark“, „mach es allen Recht“ usw. geleitet werden. Deshalb macht es durchaus Sinn, sich die in der Kindheit entwickelten Glaubenssätze anzuschauen und blockierende Denk- und Verhaltensmuster, durch neue gesunde zu ersetzen.
Hilfreich im Rahmen der Stress- bzw. Burnout-Prävention ist auch ein gutes Lebensrollenmanagement sowie die Stärkung des Selbstbildes und der eigenen Resilienz (Widerstandskraft). So ist es möglich Belastungen, ohne anhaltende seelische oder körperliche Beeinträchtigung, zu überstehen.
Zum Schluss möchte ich noch mal festhalten. Ein Burnout kommt nicht über Nacht und nicht von außen. Sondern ein Burnout wird hart erarbeitet, und zwar durch
- übertriebenen Perfektionismus
- die Verleugnung von Grenzen
- ein maschinelles Bild von sich selbst
- ein geringes Selbstwertgefühl
Von einigen wird Burnout immer noch als Modediagnose abgestempelt, doch dahinter stecken schwere Symptome und eine ernstzunehmende Krankheit. Das Burnout-Syndrom umfasst weitreichende seelische wie körperliche Probleme.
Rechtzeitig gegensteuern
Wenn erste Warnsignale feststellt werden, ist es deshalb wichtig rechtzeitig aktiv gegensteuern und:
- Hilfe in Anspruch nehmen
- Reden und nichts verschweigen
- Menschen des Vertrauens einbeziehen
- sich Zeit für die Genesung nehmen
- Problemen ohne Scham auf den Grund gehen
- Nicht aufgeben und offen sein für neue Wege
Deshalb kann ich nur jedem raten, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen.
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